Was
ist Ihre Motivation für die Lange Tafel?
Meine
Kinderjahre verbrachte ich in Braunfels, einer
hessischen Kleinstadt. Hier war der Umgang mit
der älteren Generation etwas ganz Natürliches.
Wir halfen ihnen bei alltäglichen Besorgungen und
bekamen dafür Süßigkeiten und ein bisschen
Geld. Die alten Menschen erzählten uns nebenbei
ihre Lebensgeschichten, wie sie kein Buch schildern
kann. Heute haben die meisten Kinder kein lebendiges
Geschichtsbewusstsein ihrer eigenen Wohngegend.
Wie sollten sie auch, sie stehen ja nicht im Dialog
mit der Großeltern-Generation aus der Nachbarschaft.
Ihnen entgeht damit eine naturgegebene Ressource. Das
wiederum schwächt ihre soziale und emotionale Kompetenz. Mit
der Langen Tafel kreierte ich eine soziale Inszenierung
für unsere Jugendlichen, die den Wissensfluss
zwischen den Generationen wieder in Gang bringt.
Wie
entsteht dieser integrative Wirkung?
Viele
Aspekte der Inszenierung greifen ineinander aber das
wesendlichste ist die Kraft des gegenseitigen Zuhörens
und Nachfragens aus dem 1. Akt.
Sie
sind deutsch-griechischer Abstammung, katholisch erzogen
und haben auch ein paar Jahre ihrer Jugend in der ehemaligen
Hauptstadt der DDR gelebt. Spielen diese Fakten bei
der Langen Tafel eine Rolle?
Meine
katholische Erziehung in jungen Jahren legte in mir
den Samen für die Schönheit der Botschaft
des Abendmahls als gemeinschaftsstiftendes Ritual, das
es in abgewandelter Form in jeder Kultur (Religion)
zu finden gibt. Auf der Spurensuche nach meinem
verstorbenen griechischen Vater, begegnete mir vor 20
Jahren eine Lange Tafel in Griechenland und weckte den
Herzenswunsch, dieses Ritual in meine Heimat zu importieren.
Dass das bei uns nicht so einfach funktionieren würde
wie dort, war mir schon klar. Nach dem Motto: stell
dir vor wir machen eine Lange Tafel und keiner setzt
sich ran, muß vorher was passieren. So strukturierte
ich die Langen Tafel in 3 Akte. Damit ermögliche
ich den Akteuren einen Kennen-Lern-Prozess, zum Abbauen
gegenseitiger Vorurteile und zum übereinander staunen
lernen. Jung und Alt treffen sich im 1. Akt in
Gesprächsrunden innerhalb des Unterrichts, z.B.
Ethik, Geschichte, Politik. Diese Einbeziehen von
Zeitzeugen in konkrete historisch-politische Lehrinhalte
habe ich in der DDR Schule kennen und schätzen
gelernt.
Während
die meisten die Lange Tafel als eine soziale Initiative
betrachten, behaupten Sie, die Lange Tafel sei ein Kunstwerk.
Wie erklären Sie das?
Kunst
ist immer auch sozial, denn durch die Betrachtung eines
Kunstwerkes werden wir an uns selbst in Bezug zur Gemeinschaft
erinnert. Die Lange Tafel verkörpert neben
ihrer sozialen Wirkung eine eigenwillige Form des narrativen
Theaters. Der Rollenwechsel zwischen Zuhörer und
Darstellen funktioniert fließend. Dafür stellt
die Inszenierung einige feste Faktoren auf: Zeit, Raum,
Inhalt, Koregrafie und soziale Geste. Sie lässt
aber viel Freiheit für Improvisation. Elemente
der Inszenierung finden ihre Anlehnung an den Fluxus,
oder Theatre Peace von John Cage, aber auch das Theater
der russischen Revolution bis hin zu Massenszenen von
Fellini kann man darin entdecken. Dabei vereint der
Prozess einer Langen Tafel viele Aspekte des künstlerischen
Handelns wie z.B. Schüler werden zu Autoren des
gelebten Wissens der älteren Generation, die Wäscheleine
als vom Wind bewegte Installation der Geschichten aus
dem Kiez, die 200m lange Tafel als belebte Zeitleiste
auf der Straße. Das Bild der Langen Tafel im 2.
Akt(Spaghettiessen) als Bürgergemälde. Der
3. Akt mit seinen dokumentierenden Momentaufnahmen aus
den ersten zwei Akten lädt die Akteure und Nichtakteure
ein zum Reflektieren.
Sie
waren 25 Jahre als Schauspielerin, Autorin, Regisseurin
und Produzentin für Theater und auch Hörspiele
tätig. Sie haben dann eine Ausbildung im Psychodrama
und Familienaufstellungen gemacht, sind Mutter zweier
Kinder, Paul und Clara, lernten das Handwerk für
Human Changemanagement, gründeten 2001 die Bühne
für Wirtschaft und Kultur und arbeiten für
Projekte als Coach für Führungskräfte,
zudem wollen sie die Lange Tafel zu einer weltweiten
Initiative ausbauen. Haben Sie dabei ein Hobby bewahren
können?
Ja,
ich musiziere und spiele Badminton. Das alles geht nur
weil die Lange Tafel, mit ihren vielen kleinen und großen
poetischen Momenten all meine Persönlichkeitsanteile
miteinander verbindet für eine große Utopie:
„schaffen wir den Himmel schon auf Erden.
Ist
das nicht ein bisschen größenwahnsinnig?
Von
der Wirtschaft habe ich gelernt, groß zu denken
und unternehmerisch zu handeln, von der Kunst habe ich
gelernt, mit Intuition aus dem Vollen zu schöpfen
und mein Glaube gibt mir die Kraft und die Gewissheit,
dass wir viele Lange Tafeln brauchen. Zudem stehe
ich ja nicht alleine, sondern da gibt es den Verein
Lange Tafel e.V. und seine 7 Mitglieder und viele
Menschen, die die Lange Tafel unterstützen.
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